Verein für Geschichte und Heimatkunde Steinbach

Eines Tages werden wir das Einbrechen der Corona-Pandemie in unseren gewöhnlichen Alltag als historischen Einschnitt bewerten.

Im Jahr 2020 sind wir mittendrin, durchleben wir diese Zeit mit all ihren Einschränkungen und Unsicherheiten und haben keine Wahl. Und merken, daß es etwas ganz anderes ist, inmitten einer solchen Zeit zu leben als von ihr als geschichtlichem Ereigenis zu hören oder zu lesen.

 

Aufgrund dessen kommt der Blick, den der Geschichtsverein Ihnen üblicherweise in unsere Geschichte bietet, in diesem Jahr zu kurz. Schlichtweg war es unmöglich, im Rahmen der Corona-Beschränkungen geeignete Formate für unsere Vorträge zu finden, die alle unsere Mitglieder hätten besuchen können. Exkursonen können ebenfalls solange nicht stattfinden, als alle Veranstalter mit Rücksicht auf die Corona-Vorsichtsmaßnahmen keine für uns geeigneten Programme anbieten.

 


 

Anfang des Jahres konnten wir noch im Foyer der Steinbacher katholischen Kirche St. Bonifatius unsere Ausstellung

 

"100 Jahre Frauenwahlrecht 1909 - 2019"

 

zeigen. Kuratorin der Ausstellung war Heidrun Möhle, Steinbach.

 

Die Nachfrage nach der Ausstellung 100 Jahre Frauenwahlrecht war groß,so  dass der Geschichtsverein sie noch einmal zeigen wird, und zwar in Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche in Steinbach. Die Vernissage fand am Freitag, 24. Januar 2020 um 18 Uhr im Foyer der katholischen Kirche St. Bonifatius statt. 

Die Ausstellung – 100 Jahre Frauenwahlrecht – angelehnt an die Ausstellung im Historischen Museum, Frankfurt – schildert eindrücklich den Kampf der Frauen um das Wahlrecht und die Gleichberechtigung von der französischen Revolution bis in die heutige Zeit.

Schon in der französischen Revolution war Olympe de Gouges eine leidenschaftliche Verfechterin der Menschenrechte der Frau - und verfasste das Dokument mit dem Titel „Die Rechte der Frau“ – „Declaration des droit de la femme et de la Citoyenne“.

Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts begannen dann auch in Großbritannien die Suffragetten (suffrage = Wahlrecht) unter Emmeline Pankhurst (1858 - 1928) zu demonstrieren und mit öffentlichen Protesten und Hungerstreiks auf sich aufmerksam zu machen. Zur gleichen Zeit engagierte sich Kate Sheppard (1847 oder 1848 - 1934) für das Frauenwahlrecht in Neuseeland, das dort 1893 als dem weltweit ersten Land eingeführt wurde.

Nachdem in Großbritannien eine Gesetzesänderung abgeschmettert wurde, wurden Landsitze angezündet, Schaufenster von Kaufhäusern eingeworfen und Bombenangriffe auf öffentliche Gebäude verübt. Viele Frauen wurden festgenommen und ins Gefängnis gebracht. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges erhielten Frauen in Großbritannien ab 30 Jahren, die im Besitz von Grundeigentum waren, das Wahlrecht.

Im kaiserlichen Deutschland begannen ebenfalls die Frauen, darunter Schriftstellerinnen, Künstlerinnen und Frauenrechtlerinnen, durch Frauenbewegungen auf sich aufmerksam zu machen und das Wahlrecht einzufordern. In den Großstädten wurden viele Frauenverbände gegründet. Rosa Luxemburg (1871 - 1919) – Mitbegründerin der KP - bezahlte ihren Kampf mit dem Leben.

Frauen waren in dieser Zeit vom Ehemann abhängig. Sie waren nicht geschäftsfähig und konnten keine Verträge abschließen. Das von ihnen in die Ehe eingebrachte Vermögen unterlag der völligen Verfügung ihrer Ehemänner, die ihnen auch verbieten konnten zu arbeiten. Der Mann war auch der Vormund der Kinder.

Die bürgerliche Frau hatte im enggeschnürten Korsett eine gute Figur zu machen und dem Haushalt vorzustehen, Rechte hatte sie keine. Die Arbeiterfrauen mussten als Waschfrauen, Putzfrauen oder Dienstmädchen hart arbeiten.

Nach der Novemberrevolution 1918 wurde dann in Deutschland endlich das Frauenwahlrecht eingeführt und die ersten Frauen zogen 1919 in die Weimarer Nationalversammlung ein.

Während des Regimes der NSDAP 1933 – 1945 wurden alle Frauenverbände verboten und die aufmüpfigen Frauen ins Gefängnis gebracht oder ermordet.

Nach dem zweiten Weltkrieg mit der Gründung der Bundesrepublik waren es bei der Beratung des Grundgesetzes vier Frauen, darunter die Frankfurterin Elisabeth Selbert, die dafür sorgten dass der Artikel 3 Absatz 2 lautet: Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Die vier Frauen gingen als "Mütter des Grundgesetzes" in die Geschichte ein.

 

Es hat jedochnoch bis in die 1960er Jahre gedauert, bis die juristische Gleichberechtigung der Frauen annähernd vollzogen war. Ab 1962 durften die Frauen ohne die Erlaubnis ihrer Männer ein eigenes Konto führen, ab 1977 ohne die Erlaubnis des Ehemannes arbeiten. 1994 wurde endlich das Gleichberechtigungsgesetz im Grundgesetz erweitert.

1970 hat es Lenelotte von Bothmer als erste Frau gewagt, in einem Hosenanzug im Parlament zu sprechen. Sie bekam Schmähbriefe mit den Worten „Sie sind keine Dame, Sie sind ein unanständiges, würdeloses Weib.“

In Steinbach ist 1968 endlich die erste Frau, Gisela Spahn CDU, in die Gemeindevertretung gewählt worden.

 

Heute haben wir eine Bundeskanzlerin und eine EU-Kommissionspräsidentin, aber immer noch keine katholische Pfarrerin. Es ist noch viel zu tun, um die Gleichberechtigung auch in die Köpfe aller zu bekommen.   

 


 

 

3. Oktober 2020: Wir feierten den 30. Jahrestag der Wiedervereinigung unseres von 1961 - 1989 in DDR und BRD gespaltenen Landes unter Berücksichtigung der Corona-Hygieneregeln, indem wir zu einem

 

Steinbacher Rundwanderweg für Daheimgebliebene

 

einluden, der an der katholischen Kirche St. Bonifatius begann und endete. Im Saal von St. Bonifatius boten wir im Anschluss Kaffee und Kuchen an, der zu einem Verweilen und Austausch anregen sollte . Den Corona-Regeln entsprechend hatten wir eine Gruppe am Vormittag und eine zweite Gruppe für den Nachmittag eingeladen. Der Weg führte uns oberhalb der Steinbachaue entlang bis zum Apfelweinbrückchen und auf der anderen Seite des Steinbachs mit einer Umrundung des neuen Thüringer Parks über den gerade fertiggestellten Pijnackerweg wieder zurück zur Kirche. Unterwegs erfuhren die Gäste einiges über den Altkönig, der ehemals Steinbacher Besitz gewesen ist, über das Apfelweinbrückchen, über die hessische Regionalhymne und darüber, warum die deutsche Flagge schwarz-rot-gold gestaltet ist.

Die Gelegenheit, sich gegenseitig zu berichten, aus welchen Himmelsrichtungen sich unsere Gäste als inzwischen langjährige Steinbacher Bürger und Bürgerinnen in unserer Stadt niedergelassen haben und warum sie das Leben hier schätzen, bot der regnerische Nachmittag, der uns vorschnell wieder ins Trockene getrieben hatte. Selten gibt es solche Gelegenheiten, wo die Zeit verstreichen darf, ohne uns anzutreiben. Wir hatten einen wunderbaren Tag und hoffen, auch unsere Gäste haben es so empfunden.

Barbara Köhler begleitete unsere Gäste auf der Rundwanderung und Kai Hilbig war der Gastgeber einer köstlichen Kaffeetafel.